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Verfahren : 2021/2180(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument : A9-0139/2022

Eingereichte Texte :

A9-0139/2022

Aussprachen :

PV 18/05/2022 - 20
CRE 18/05/2022 - 20

Abstimmungen :

PV 19/05/2022 - 7.5
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P9_TA(2022)0212

Angenommene Texte
PDF 215kWORD 69k
Donnerstag, 19. Mai 2022 - Brüssel
Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2021
P9_TA(2022)0212A9-0139/2022

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Mai 2022 zu dem Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2021 (2021/2180(INI))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf Artikel 2, Artikel 3 Absatz 1, Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2, Artikel 4 Absatz 3 sowie die Artikel 5, 6, 7, 11, 19 und 49,

–  unter Hinweis auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf die Artikel über die Achtung, den Schutz und die Förderung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in der EU, darunter die Artikel 70, 258, 259, 260, 263, 265 und 267,

–  unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: „Charta“),

–  unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), insbesondere der Entscheidungen in der Rechtssache C-156/21, Ungarn/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union(1) und in der Rechtssache C-157/21, Polen/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union(2)über die Maßnahmen zum Schutz des Haushalts der Union,

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. Juli 2021 mit dem Titel „Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2021 – Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union“ (COM(2021)0700),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)(3),

–  unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten(4),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union(5) („Verordnung über den an die Rechtsstaatlichkeit geknüpften Konditionalitätsmechanismus“),

–  unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/692 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. April 2021 zur Einrichtung des Programms „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1381/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EU) Nr. 390/2014 des Rates(6),

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,

–  unter Hinweis auf die Instrumente der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Empfehlungen und Berichte der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung der Vereinten Nationen sowie die Rechtsprechung der Vertragsorgane der Vereinten Nationen und die Sonderverfahren des Menschenrechtsrats,

–  unter Hinweis auf die Empfehlungen und Berichte des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten, des Beauftragten für Medienfreiheit und anderer Organe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa,

–  unter Hinweis auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Europäische Sozialcharta, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Ausschusses für soziale Rechte sowie die Übereinkommen, Empfehlungen, Entschließungen, Stellungnahmen und Berichte der Parlamentarischen Versammlung, des Ministerkomitees, der Kommissarin für Menschenrechte, der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, des Lenkungsausschusses für Antidiskriminierung, Diversität und Inklusion, der Venedig-Kommission und anderer Organe des Europarats,

–  unter Hinweis auf die gemeinsame Absichtserklärung zwischen dem Europarat und der Europäischen Union vom 23. Mai 2007 und die Schlussfolgerungen des Rates vom 8. Juli 2020 zu den Prioritäten der EU für die Zusammenarbeit mit dem Europarat 2020–2022,

–  unter Hinweis auf den begründeten Vorschlag der Kommission vom 20. Dezember 2017 für einen Beschluss des Rates zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch die Republik Polen, der gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV vorgelegt wurde (COM(2017)0835),

–  unter Hinweis auf den am 18. September 2020 auf den Weg gebrachten EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020-2025 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit“ (COM(2020)0565),

–  unter Hinweis auf den Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte vom 9. November 2021 mit dem Titel „Antisemitism: Overview of antisemitic incidents recorded in the European Union 2010-2020“ (Antisemitismus: Überblick über die in der Europäischen Union erfassten antisemitischen Vorfälle 2010-2020),

–  unter Hinweis auf den Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte vom 22. September 2021 mit dem Titel „Protecting civic space in the EU“ (Schutz des zivilgesellschaftlichen Raums in der EU) und ihre anderen Berichte, Daten und Instrumente, insbesondere das Europäische Informationssystem für Grundrechte (EFRIS),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2016 mit Empfehlungen an die Kommission zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte(7),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. März 2018 zu dem Beschluss der Kommission, im Hinblick auf die Lage in Polen das Verfahren gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV einzuleiten(8),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. April 2018 zu der notwendigen Schaffung eines Instruments für europäische Werte zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die die Grundwerte in der Europäischen Union auf lokaler und nationaler Ebene fördern(9),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. September 2018 zu einem Vorschlag, mit dem der Rat aufgefordert wird, im Einklang mit Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union festzustellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn besteht(10),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. November 2018 zu der Notwendigkeit eines umfassenden EU-Mechanismus zum Schutz der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte(11),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Januar 2020 zu den laufenden Anhörungen gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV zu Polen und Ungarn(12),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Oktober 2020 zu der Rechtsstaatlichkeit und den Grundrechten in Bulgarien(13),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. Oktober 2020 zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte(14),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. November 2020 zu den Auswirkungen der COVID-19- Maßnahmen auf die Demokratie, die Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit(15),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. November 2020 zu der Lage der Grundrechte in der Europäischen Union – Jahresbericht für die Jahre 2018 und 2019(16),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Juni 2021 zu dem Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2020(17),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juli 2021 zur Festlegung von Leitlinien für die Anwendung der allgemeinen Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union(18),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. Juli 2021 zu Verstößen gegen das EU-Recht und die Rechte von LGBTIQ-Bürgern in Ungarn infolge der im ungarischen Parlament angenommenen Gesetzesänderungen(19),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. September 2021 zu Rechten von LGBTIQ-Personen in der EU(20),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. September 2021 zur Medienfreiheit und der weiteren Verschlechterung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen(21),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Oktober 2021 zum Thema: „Europas Medien in der digitalen Dekade: Ein Aktionsplan zur Unterstützung der Erholung und des Wandels“(22),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Oktober 2021 zur Krise im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit in Polen und dem Vorrang des Unionsrechts(23),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. November 2021 zur Stärkung der Demokratie, der Medienfreiheit und des Medienpluralismus in der EU: in Anbetracht des unrechtmäßigen Rückgriffs auf zivil- und strafrechtliche Verfahren zur Einschüchterung von Journalisten, nichtstaatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft(24),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. November 2021 zum ersten Jahrestag des De-facto-Abtreibungsverbots in Polen(25),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2021 zu der Bewertung von Präventivmaßnahmen zur Vorbeugung von Korruption, vorschriftswidrigen Ausgaben und der Zweckentfremdung von europäischen und nationalen Mitteln im Falle von Nothilfefonds und krisenbezogenen Ausgabenbereichen(26),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Dezember 2021 zu den Grundrechten und der Rechtsstaatlichkeit in Slowenien, insbesondere die verzögerte Ernennung von Staatsanwälten der EUStA(27),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. März 2022 zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation(28),

–  unter Hinweis auf den Sonderbericht 09/2021 des Rechnungshofs vom 3. Juni 2021 mit dem Titel „Desinformation und ihre Auswirkungen auf die EU: Problem erkannt, aber nicht gebannt“,

–  unter Hinweis auf den Sonderbericht 01/2022 des Rechnungshofs vom 10. Januar 2022 mit dem Titel „EU-Unterstützung für die Rechtsstaatlichkeit in den Staaten des westlichen Balkans: trotz Bemühungen bestehen weiterhin grundlegende Probleme“,

–  gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf die Stellungnahmen des Haushaltskontrollausschusses, des Rechtsausschusses, des Haushaltsausschusses, des Ausschusses für konstitutionelle Fragen und des Petitionsausschusses,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0139/2022),

A.  in der Erwägung, dass sich die Union auf die in Artikel 2 EUV verankerten gemeinsamen Werte der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören, gründet, die den EU-Mitgliedstaaten gemeinsam sind und zu denen sich die Bewerberländer im Rahmen der Kopenhagener Kriterien bekennen müssen, um der Union beitreten zu können, und die nach dem Beitritt nicht missachtet oder neu ausgelegt werden dürfen; in der Erwägung, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte einander verstärkende Werte sind, deren etwaige Aushöhlung eine systemische Bedrohung für die Union und die Rechte und Freiheiten ihrer Bürgerinnen und Bürger darstellen könnte; in der Erwägung, dass die Achtung der Rechtsstaatlichkeit für die Union als Ganzes und ihre Mitgliedstaaten auf allen Verwaltungsebenen, einschließlich subnationaler Einheiten, verbindlich ist;

B.  in der Erwägung, dass der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit in Artikel 4 Absatz 3 des EUV die Europäische Union und die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bei der Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen ergeben, im vollen gegenseitigen Respekt einander zu unterstützen, und die Mitgliedstaaten dazu, alle angemessenen Maßnahmen im Allgemeinen oder im Besonderen zu ergreifen, um die Erfüllung der Verpflichtungen sicherzustellen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben;

C.  in der Erwägung, dass der jährliche Zyklus zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit eine willkommene Ergänzung der Instrumente ist, die zur Bewahrung der Werte nach Artikel 2 EUV zur Verfügung stehen, da in einem Bericht die Lage in allen EU-Mitgliedstaaten auf der Grundlage von vier Pfeilern beleuchtet wird, die sich unmittelbar auf die Achtung der Rechtsstaatlichkeit auswirken;

D.  in der Erwägung, dass es ohne konkrete Empfehlungen und wirksame Folgemaßnahmen unter Umständen nicht möglich ist, anhand des Berichts über die Rechtsstaatlichkeit systemische Herausforderungen und Rückschritte in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit, wie sie in den vergangenen Jahren in mehreren EU-Mitgliedstaaten zu beobachten waren, wirksam und rechtzeitig aufzudecken und anzugehen;

E.  in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten Sofortmaßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie ergriffen haben; in Erwägung, dass diese Maßnahmen die Grundsätze der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einhalten mussten, um rechtmäßig zu sein, wenn durch die Maßnahmen Grundrechte oder Grundfreiheiten eingeschränkt wurden; in der Erwägung, dass in einigen Mitgliedstaaten ein negativer Trend in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit zu beobachten ist, da die Regierungen die außerordentlichen Maßnahmen als Vorwand genutzt haben, um das demokratische System von Kontrolle und Gegenkontrolle zu schwächen;

F.  in Erwägung, dass es erforderlich ist, die bestehenden Mechanismen zu stärken und zu modernisieren und einen gemeinsamen und umfassenden EU-Mechanismus zu entwickeln, um die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte wirksam zu schützen und sicherzustellen, dass die im Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union verankerten Werte in der gesamten EU ebenso wie in den Mitgliedstaaten aufrechterhalten werden, wenngleich mit unterschiedlichen Überwachungssystemen, so dass die Mitgliedstaaten davon abgehalten werden, innerstaatliches Recht zu sprechen, das dem in Artikel 2 EUV verankerten Schutz entgegenläuft;

G.  in der Erwägung, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung, Information und öffentliche Beteiligung zu den Grundpfeilern der Demokratie gehört;

H.  in der Erwägung, dass der Sachverständigenausschuss des Europarates zur Bekämpfung von Hetze einen Entwurf für eine Empfehlung des Ministerkomitees zu Hetze ausgearbeitet hat, der unverbindliche Leitlinien für den Umgang mit diesem Phänomen bietet und deren Verabschiedung im Jahr 2022 derzeit noch aussteht(29); in der Erwägung, dass der neu eingesetzte Sachverständigenausschuss zur Bekämpfung von Hasskriminalität damit beauftragt ist, bis Ende 2023 einen Entwurf für eine Empfehlung des Ministerkomitees zu Hasskriminalität auszuarbeiten;

I.  in der Erwägung, dass das Programm „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ die unmittelbare und flexible Unterstützung der Akteure der Zivilgesellschaft vorsieht, die die im Artikel 2 EUV verankerten Werte auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene fördern und schützen;

Der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2021: allgemeine Erwägungen

1.  begrüßt den zweiten Jahresbericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit; nimmt zur Kenntnis, dass das Parlament diesen Jahresbericht regelmäßig als Informationsquelle und Beitrag zur Erörterung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in einem bestimmten Mitgliedstaat nutzt; bedauert, dass die Kommission die Empfehlungen, die das Parlament in seiner Entschließung vom 24. Juni 2021 zu dem Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2020 ausgesprochen hat, nicht vollständig umgesetzt hat, insbesondere im Hinblick auf die Ausweitung des Umfangs ihrer Berichterstattung auf alle in Artikel 2 EUV verankerten Werte, die Unterscheidung zwischen systemischen und individuellen Verstößen sowie eine eingehendere und transparentere Bewertung, einschließlich der Ergreifung von Maßnahmen als Reaktion auf Verstöße; ist der Ansicht, dass diese Empfehlungen nach wie vor Bestand haben, und bekräftigt sie;

2.  begrüßt, dass die Funktionsweise der Justizsysteme, der Rahmen für die Korruptionsbekämpfung, der Medienpluralismus und bestimmte institutionelle Aspekte in Zusammenhang mit dem System der gegenseitigen Kontrolle, einschließlich in gewissem Umfang des zivilgesellschaftlichen Raums, Teil des Jahresberichts der Kommission sind; bedauert jedoch, dass im Bericht 2021 nicht alle Fragen der Rechtsstaatlichkeit ausreichend detailliert oder umfassend behandelt wurden; schlägt vor, dass die Kommission Fragen der Rechtsstaatlichkeit in jeder Säule aus dem Blickwinkel aller in Artikel 2 EUV verankerten Werten und der Grundrechte, wie sie in der Charta beschrieben sind, analysiert; fordert, dass weitere wichtige Punkte des von der Venedig-Kommission erstellten Verzeichnisses der Kriterien zur Bewertung der Rechtsstaatlichkeit aus dem Jahr 2016 in den Jahresbericht aufgenommen werden, wie etwa die Verhinderung von Missbrauch der Amtsgewalt, die Gleichheit vor dem Gesetz und die Nichtdiskriminierung sowie der Zugang zur Justiz, einschließlich der Aspekte des Rechts auf ein faires Verfahren; bekräftigt seine Aufforderung an die Kommission, eine Bewertung der Haftbedingungen in künftige Berichte aufzunehmen;

3.  nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, dass der Bericht länderspezifische Kapitel enthält; würdigt die Bemühungen der Kommission, mit nationalen Regierungen, nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament sowie der Zivilgesellschaft und anderen nationalen Akteuren zusammenzuarbeiten; fordert die Mitgliedstaaten auf, proaktiv mit der Kommission zusammenzuarbeiten und ihre Aufforderungen zur öffentlichen Stellungnahme öffentlich zu machen, damit unabhängige Experten und Gruppen der Zivilgesellschaft die Fakten prüfen und darauf reagieren können, um eine vollständige Transparenz sicherzustellen; fordert die Kommission auf, die Analyse weiter zu vertiefen, und dafür angemessene Ressourcen bereitzustellen, einschließlich des Personals, damit sich ein breites und vielfältiges Spektrum von Interessengruppen erreichen lässt; ist der Auffassung, dass den Länderbesuchen der Kommission mehr Zeit gewidmet und mehr Bedeutung beigemessen und insbesondere mehr Zeit vor Ort verbracht werden sollte; fordert die Kommission auf, die Öffentlichkeit stärker für diese Besuche zu sensibilisieren, um die Kultur der Rechtsstaatlichkeit auf nationaler Ebene zu fördern; begrüßt die Besuche der Kommission bei den nationalen Parlamenten, um die Ergebnisse des Berichts vorzustellen;

Methodik

4.  betont die Tatsache, dass alle Mitgliedstaaten nach den gleichen Indikatoren und der gleichen Methodik überprüft werden, ohne dass irgendein Mitgliedstaat diskriminiert wird; fordert die Kommission auf, ihre Indikatoren zur Bewertung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten näher zu erläutern; fordert die Kommission auf, jedes Jahr im September eine Woche der EU-Werte einzurichten, in welcher der Bericht gleichzeitig und in besserer Abstimmung mit dem EU-Justizbarometer, dem von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte herausgegebenen Bericht über die Grundrechte und dem Überwachungsmechanismus für Medienpluralismus dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten vorgelegt wird; ist der Auffassung, dass der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit derzeit zur Beschreibung der Situation in den Mitgliedstaaten dient, jedoch ein analytisches und vorschreibendes Instrument sein sollte, um seinem vorbeugenden und entschärfenden Zweck gerecht zu werden; betont, dass eine gründliche Analyse des Sachstands in den Mitgliedstaaten eine Gesamtanalyse und Bewertung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten erfordert; betont, dass die Gefahr einer Bagatellisierung der schwerwiegendsten Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit besteht, wenn Mängel oder Verstöße unterschiedlicher Art oder Intensität aufgeführt werden; fordert die Kommission nachdrücklich auf, in ihrer Berichterstattung auf eine Differenzierung zu achten und dazu klarer und verständlicher zwischen systemischen und absichtlichen Verstößen und vereinzelten Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit zu unterscheiden;

5.  bedauert, dass es im Bericht nicht gelingt, die absichtlichen Rückschritte bei der Rechtsstaatlichkeit in Ländern deutlich zu erkennen, in denen zurzeit Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union laufen, insbesondere Polen und Ungarn, und Mängel bei der Rechtsstaatlichkeit in eine Reihe von Mitgliedstaaten zu erkennen; fordert die Kommission auf, deutlich zu machen, dass die Mitgliedstaaten unter Umständen keinem der Kriterien gerecht werden, die eine Demokratie ausmachen, und zu autoritären Regimes werden könnten, wenn die Werte nach Artikel 2 EUV über einen längeren Zeitraum hinweg systematisch, vorsätzlich, schwerwiegend und dauerhaft verletzt werden;

6.  bedauert, dass mehrere Mitgliedstaaten, insbesondere Ungarn und Polen, von der Kommission im Synthesebericht mehrmals als Länder, die Anlass zur Besorgnis geben, erwähnt werden mussten und dass seit der Veröffentlichung des Berichts keine greifbaren Verbesserungen erzielt wurden; weist darauf hin, dass sich das Parlament seit Juni 2021 auch in seinen Entschließungen des Plenums mit der Lage der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn, Polen und Slowenien befasst hat; weist ferner darauf hin, dass sich die vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres eingesetzte Gruppe zur Beobachtung der Wahrung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte sowie der Haushaltskontrollausschuss mit Problemen in mehreren verschiedenen Mitgliedstaaten befasst haben; betont, dass nach mehreren Reisen von Ad-hoc-Delegationen in einige dieser Mitgliedstaaten klar geworden ist, dass die Lage in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechte in diesen Mitgliedstaaten weit schlechter ist als von der Kommission in ihrem Bericht beschrieben; ist der Ansicht, dass die Kommission zur besseren Ermittlung diesbezüglich Rückschritte verzeichnender Länder eine ausführlichere Bewertung dieser Elemente in allen Länderkapiteln vornehmen sollte;

7.  fordert die Kommission auf, jedes Länderkapitel mit einer Bewertung der Leistung der Mitgliedstaaten in Bezug auf die einzelnen Säulen des Berichts abzuschließen und dabei anzugeben, inwieweit die Voraussetzungen der Konditionalitätsverordnung erfüllt wurden; fordert daher die Kommission auf, neben der qualitativen Bewertung einen Rechtsstaatlichkeitsindex für die verschiedenen Säulen auf der Grundlage eines objektiven, barrierefreien, transparenten, lesbaren und diskriminierungsfreien Systems zur Präsentation und Vergleichsanalyse zu entwickeln, die von unabhängigen Experten durchgeführt wird und den Grad der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten anzeigt;

8.  ist der Auffassung, dass in dem Jahresbericht bereichsübergreifende Trends, einschließlich möglicher systemischer Schwachstellen, auf Unionsebene aufgezeigt werden sollten; fordert die Kommission auf, Fälle zu ermitteln, in denen Maßnahmen oder Vorgehensweisen, welche die Rechtsstaatlichkeit in einem Mitgliedstaat untergraben, als Blaupausen für andere genutzt werden oder drohen, genutzt zu werden; hebt hervor, dass in einigen Mitgliedstaaten die Rechte von Minderheiten absichtlich ins Visier genommen wurden, wodurch an anderer Stelle eine Dynamik geschaffen und verstetigt wurde, was durch Rückschritte bei den Rechten von Frauen und LGBTIQ-Personen und anderen Minderheiten belegt werden kann; fordert darüber hinaus die Kommission auf, die negativen Auswirkungen hervorzuheben, die Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit auf die Union insgesamt haben können;

9.  ist der Auffassung, dass der Bericht über jährliche Momentaufnahmen hinausgehen und einen entwicklungsorientierten und dynamischen Überblick über die Achtung der bzw. die Rückschritte in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in den Justizsystemen aller Mitgliedstaaten vermitteln sollte; begrüßt die Bemühungen, im Bericht 2021 die derzeitige Lage mit der im Bericht 2020 beschriebenen Lage zu vergleichen; hält es für notwendig, eindeutig positive und negative Trends in Bezug auf die Lage der Rechtsstaatlichkeit zu ermitteln und eine Analyse der Gründe dafür vorzulegen;

10.  ist der Ansicht, dass ein neues, gesondertes Kapitel über die Organe der Europäischen Union wünschenswert wäre, in dem die Lage im Hinblick auf die Gewaltenteilung, die Rechenschaftspflicht und das System von Kontrolle und Gegenkontrolle bewertet wird;

Bewertung und Empfehlungen

11.  ist der Ansicht, dass der Bericht 2021 eindeutigere Bewertungen hätten enthalten können, in denen für jede der in den Länderkapiteln analysierten Säulen angegeben wird, ob Mängel, das Risiko eines schwerwiegenden Verstoßes oder ein tatsächlicher Verstoß gegen die Werte nach Artikel 2 EUV vorlagen; fordert die Kommission auf, in den Bericht eine Bewertung aller im Vorjahr umgesetzten Maßnahmen zur Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen und dem Bericht eine Analyse ihrer Wirksamkeit und mögliche Verbesserungsvorschläge beizufügen; fordert eine stärker integrierte Analyse der Zusammenhänge zwischen den vier Säulen und der Frage, wie mehrere Mängel zusammengenommen zu Verstößen oder zur Gefahr von Verstößen gegen die Werte des Artikels 2 EUV führen können; bekräftigt, dass direkt und unzweideutig formuliert werden muss und die gemäß dem Standpunkt der Kommission auf der Hand liegenden Probleme klar benannt werden müssen;

12.  begrüßt die Absicht der Kommission, in den Bericht 2022 länderspezifische Empfehlungen aufzunehmen; fordert die Kommission auf, zu diesen Empfehlungen Fristen für die Umsetzung, Zielvorgaben und zu ergreifende konkrete Maßnahmen vorzugeben; fordert die Kommission auf, in künftige Berichte Informationen über den Fortschritt bei der Umsetzung ihrer Empfehlungen aufzunehmen und diese zum Bestandteil des strukturierten Dialogs mit dem Parlament während des gesamten Jahres zu machen; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass sich ihre jährlichen Berichte auch auf alle einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen für das Europäische Semester konzentrieren, insbesondere auf diejenigen, die mit der Unabhängigkeit der Justiz und der Staatsanwaltschaft sowie mit der Bekämpfung von Korruption und der Sicherstellung von Transparenz und Integrität zusammenhängen;

13.  empfiehlt, dass die Kommission zu jeder ihrer Empfehlungen eine nicht erschöpfende Liste von Instrumenten angibt, deren Nutzung durch die EU-Organe angezeigt ist, wenn die Mängel nicht behoben werden; fordert die Kommission auf, ohne zu zögern auf diese Instrumente zurückzugreifen, insbesondere wenn nicht darauf vertraut wird, dass diese Empfehlungen rasch umgesetzt werden, oder die Gefahr einer weiteren Verschlechterung besteht, ohne den nächsten jährlichen Berichterstattungszyklus abzuwarten;

Tätigkeitsbereich

14.  bedauert, dass sowohl in dem Bericht 2020 als auch in dem Bericht 2021 die in Artikel 2 EUV verankerten Werte der Demokratie und der Grundrechte nicht in vollem Umfang behandelt werden, denn diese Werte sind unmittelbar betroffen, wenn Länder mit dem Rückbau der Rechtsstaatlichkeit beginnen; weist erneut auf den engen Zusammenhang zwischen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechten hin;

Justizsysteme

15.   betont, dass die Rechenschaftspflicht von Richtern und Staatsanwälten, die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und der Gerichte und die Vollstreckungsgewalt wesentliche Bestandteile der Rechtsstaatlichkeit sind; bedauert die schwerwiegenden und strukturellen Probleme in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz in einigen Mitgliedstaaten; bekräftigt, dass die Organe der Rechtspflege eine zentrale Rolle dabei spielen, für den Schutz der Grundrechte zu sorgen und die Rechtsstaatlichkeit zu stärken; fordert die Mitgliedstaaten auf, Richter und Staatsanwälte vor politischen Angriffen und politischem Druck zu schützen, mit denen versucht wird, ihre Arbeit zu untergraben, und besteht darauf, dass die Mitgliedstaaten bezüglich der Unabhängigkeit der Justiz Unions- und internationales Recht einhalten; fordert die Kommission auf, konkrete Empfehlungen in ihrem Bericht 2022 aufzunehmen, um die Unabhängigkeit der Justiz in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen, und auch die Unabhängigkeit der Richter und Rechtsanwaltsvereinigungen im Jahresbericht zu berücksichtigen, da sie für ein unabhängiges Rechtssystem unabdingbar sind;

16.  weist darauf hin, dass das Unionsrecht Vorrang vor nationalem Recht hat, unabhängig davon, wie die nationalen Justizsysteme organisiert sind; fordert die Kommission auf, die Beschlüsse der nationalen Gerichte zum Vorrang des EU-Rechts vor nationaler Gesetzgebung genau zu überwachen und insbesondere die Unvereinbarkeit bestimmter Artikel des Vertrages mit nationalen Verfassungen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, konkrete, sofortige und angemessene Reaktionen auf Weigerungen sicherzustellen, EuGH-Beschlüsse umzusetzen und zu befolgen, und dem Parlament über die diesbezüglich ergriffenen Maßnahmen Bericht zu erstatten;

17.  hebt hervor, dass die Justizräte eine wichtige Rolle bei der Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz spielen; weist darauf hin, dass mehrere Mitgliedstaaten seit langem Probleme haben in Bezug auf die Zusammensetzung ihrer Räte für das Justizwesen und die Ernennung von Richtern, die manchmal für unzulässige politische Einflussnahme anfällig sind; bestärkt die Mitgliedstaaten darin, systematisch die Meinung der Venedig-Kommission für den Fall einzuholen, dass beabsichtigt ist, die Zusammensetzung und Funktionsweise dieser Organe anzupassen, und diese Empfehlungen zu überwachen; erachtet es als notwendig, dass die Kommission diese Überwachung im Jahresbericht bewertet;

18.  stellt fest, dass die Staatsanwaltschaft ein Kernelement bei der Bekämpfung von Verbrechen, Korruption und des Missbrauchs der Amtsgewalt darstellt; betont, dass Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft und einzelner Staatsanwälte gewahrt werden kann und diese nicht unter unrechtmäßigem politischen Druck stehen, insbesondere seitens der Regierung, während gleichzeitig notwendige Voraussetzungen der Rechenschaftspflicht erfüllt sein müssen, um Missbrauch oder Fahrlässigkeit zu vermeiden; bekundet seine uneingeschränkte Solidarität mit allen Opfern von Verbrechen und deren uneingeschränkte Unterstützung;

19.   weist darauf hin, dass strategische Klagen gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit (SLAPP-Klagen) nicht nur das Recht von deren Opfern auf den effektiven Zugang zur Justiz und damit die Rechtsstaatlichkeit ernsthaft untergraben, sondern darüber hinaus einen Missbrauch der Justizsysteme und der Rechtsrahmen der Mitgliedstaaten darstellen, insbesondere indem sie die Fähigkeit der Mitgliedstaaten einschränken, die bestehenden Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen, wie z. B. die Optimierung der Verfahrensdauer und der Qualität der Justizsysteme sowie die Bearbeitung von Rechtssachen und den Abbau des bestehenden Fallrückstands;

Rahmen zur Korruptionsbekämpfung

20.  bekräftigt, dass Korruption eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie, die europäischen Finanzmittel und die Rechtsstaatlichkeit darstellt; ist zutiefst besorgt über die zunehmende Korruption und Verschlechterung in einigen Mitgliedstaaten und das anhaltende Auftreten von Korruptionsfällen, in denen hochrangige Beamte und Politiker verwickelt sind, und die Unterwanderung der Wirtschaft und des öffentlichen Sektors durch die organisierte Kriminalität; begrüßt die Informationen, die der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit von 2021 zu diesem Thema enthielt, und fordert in künftigen Berichten eine bessere Klarstellung darüber, ob Mittel der EU betroffen sind;

21.   fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Politik und Instrumente der Union zur Korruptionsbekämpfung zu aktualisieren und zu erweitern, auch durch die Festlegung einer einheitlichen Definition des Straftatbestands der Korruption und durch die Schaffung gemeinsamer Normen und Maßstäbe und die Sicherstellung ihrer ordnungsgemäßen Um- und Durchsetzung; weist darauf hin, wie wichtig es ist, dass die Mitgliedstaaten mit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) zusammenarbeiten und deren Aufgaben aktiv unterstützen; fordert die Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, der EUStA beizutreten; begrüßt, dass die Kommission an fast alle Mitgliedstaaten Aufforderungsschreiben wegen mangelnder Umsetzung der Richtlinie über den Schutz von Hinweisgebern versandt hat(30);

Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, Medienfreiheit und Pluralismus

22.  Verweist darauf, dass Medienfreiheit und Pluralismus, einschließlich hochwertiger, nachhaltig und transparent finanzierter und unabhängiger traditioneller und digitaler Nachrichtenmedien, unabhängiger Journalisten, Faktenprüfer und Forscher sowie starker öffentlicher Medien von wesentlicher Bedeutung für die Demokratie, als Garanten gegen den Missbrauch von Amtsgewalt und das beste Mittel gegen Desinformation sind; bekundet seine Besorgnis über die politische Unabhängigkeit der Medien in einigen Mitgliedstaaten, da die redaktionelle Ausrichtung die starke Polarisierung der politischen Szene widerspiegelt;

23.  ist alarmiert über die zunehmend feindselige Umgebung, in der Journalisten und Medienakteure in vielen Mitgliedstaaten agieren, insbesondere wenn der Schwerpunkt ihrer Arbeit auf den Missbrauch der Amtsgewalt, auf Korruption, Grundrechtsverstößen und kriminellen Aktivitäten liegt; verweist darauf, dass Journalisten und Medienunternehmen zunehmend Einschüchterung, Drohungen (einschließlich jener auf den sozialen Medien), Tatvorwürfen, körperlichen Angriffe, Gewaltvorfällen und in einigen Mitgliedstaaten Mord ausgesetzt sind; verurteilt die von den Regierungen einiger Mitgliedstaaten verwendeten Unterdrückungsstrategien wie den Einsatz der strategischen Klage gegen öffentliche Beteiligung und Verleumdungskampagnen, ebenso wie die zunehmende staatliche Kontrolle der öffentlich-rechtlichen Medien, der Zivilgesellschaft und der Hochschulen, die Selbstzensur und eine zunehmende Verschlechterung der Medien- und akademischer Freiheit zur Folge haben; verweist darauf, dass die Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia zum Zeitpunkt ihrer Ermordung mit 47 zivil- und strafrechtlichen Verleumdungsklagen konfrontiert war, von denen viele noch gegen ihre Familie anhängig sind; gibt zu bedenken, dass diese untragbaren Entwicklungen eine abschreckende Wirkung auf die Rede- und Pressefreiheit haben können und nicht als Präzedenzfall sowohl innerhalb der EU als auch für Bewerberländer und mögliche Bewerberländer der EU dienen dürfen;

24.  bedauert, dass der Bericht 2021 die Schwere dieser Trends nicht widerspiegelt, insbesondere im Zusammenhang mit staatlichen Kontrollen, strategischen Klagen und Verleumdungskampagnen durch bestimmte Mitgliedstaaten; fordert die Kommission nachdrücklich auf, die medienbezogenen Kapitel zu verbessern, indem sie eine Bewertung der Effizienz und Wirksamkeit der nationalen Rahmen zum Schutz der Medienfreiheit, des Medienpluralismus und der Transparenz des Medieneigentums, Unionsvorschriften gegen die Anwendung von SLAPP-Klagen einführen, mit denen Mindeststandards festgelegt werden, und einen ehrgeizigen Rechtsrahmen vorzulegen, um der zunehmenden Politisierung der Medien in bestimmten Mitgliedstaaten im bevorstehenden Gesetz über Medienfreiheit entgegenzuwirken; betont, dass der Bericht eine umfassende Bewertung der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden für audiovisuelle Mediendienste der Mitgliedstaaten, die nach Unionsrecht von ihren jeweiligen Regierungen unabhängig sein müssen, enthalten sollte; fordert die Kommission auf, eine zusätzliche und flexiblere Finanzierung des unabhängigen investigativen Journalismus in der Union sicherzustellen;

25.  betont, wie wichtig redaktionell unabhängige öffentlich-rechtliche Medien für eine hochwertige, unparteiische und freie Berichterstattung über öffentliche Angelegenheiten sind, insbesondere während Wahlen; fordert die Mitgliedstaaten auf, für eine stabile, offene, transparente, nachhaltige und angemessene Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien auf mehrjähriger Basis zu sorgen, um deren Qualität und Unabhängigkeit von staatlichem, politischem, wirtschaftlichem und sonstigem Druck sicherzustellen; bedauert, dass öffentlich-rechtliche Medien aus dem Jahresbericht ausgeklammert werden; fordert die Kommission auf, öffentlich-rechtliche Medien in ihren künftigen Berichten gründlich unter die Lupe zu nehmen;

26.  stellt fest, dass Falschmeldungen und die sich daraus ergebende Desinformation, die auf die EU-Bürger abzielt, eine Gefahr für die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Union darstellen, da die Verbreitung von Desinformation polarisiert und unsere Demokratie schwächt; begrüßt die Beschreibung des politischen Drucks und der politischen Einflussnahme auf die Medien im Jahresbericht durch die Kommission und fordert die Kommission auf, die systematischen Desinformationskampagnen und die ausländische Einmischung deutlicher zu beschreiben, die darauf abzielen, das öffentliche Vertrauen in staatliche Organe und in die unabhängigen Medien zu verringern; erkennt an, dass globale Online-Plattformen erhebliche disruptive Auswirkungen auf den Mediensektor haben können; betont in diesem Zusammenhang, dass die geltenden Rechtsvorschriften nicht ausreichend ein faires Umfeld im Internet ermöglichen, etwa bei der Bekämpfung von Desinformation und der Rechenschaftspflicht für Algorithmen; ist der Ansicht, dass die Annahme einschlägiger Rechtsvorschriften, insbesondere des Gesetzes über digitale Dienste und des Gesetzes über digitale Märkte, zwar ein Schritt in die richtige Richtung war, aber im Rahmen des Europäischen Gesetzes über die Medienfreiheit noch weitere Schritte unternommen werden müssen, um gerechte Bedingungen angesichts der Digitalisierung des Mediensektors und der Verbreitung von Online-Plattformen zu schaffen;

27.  betont, dass die Medienfreiheit eng mit der künstlerischen und akademischen Freiheit zusammenhängt; bedauert, dass die freie Meinungsäußerung, die Kunstfreiheit und die Versammlungsfreiheit in einigen Mitgliedstaaten stark beschnitten und eingeschränkt werden; betont, dass die Unabhängigkeit der Bildungssysteme gefährdet ist, wenn die autonome Organisationsstruktur ihrer Einrichtungen nicht garantiert ist; fordert die Kommission auf, alle Aspekte des Rechts auf freie Meinungsäußerung in ihren Bericht über die Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen;

Demokratie und das System von Kontrolle und Gegenkontrolle

28.  vertritt den Standpunkt, dass der Grundsatz der Gewaltenteilung für ein wirksames Funktionieren des Staates, einschließlich eines wirksamen, unabhängigen, unparteiischen und effizienten Funktionieren der Justizsysteme in der gesamten Union von wesentlicher Bedeutung ist und von den Organen erfordert, von jeglichem Druck auf Richter und Staatsanwälte, insbesondere aus politischen und wirtschaftlichen Kreisen, abzusehen;

29.  betont, dass faire und freie Wahlen zu den absoluten Mindeststandards für eine funktionierende Demokratie gehören und dass sämtliche Wahlprozesse in der Union ohne unzulässige Beeinflussung und Unregelmäßigkeiten stattfinden sollten; betont, dass es konkrete Maßnahmen auch im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 7 Absatz 1 EUV ergriffen werden müssen, wenn die OSZE feststellt, dass Wahlen nicht fair und frei stattgefunden haben; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, sobald die Gefahr von Wahlmanipulation in einem Mitgliedstaat erkannt wurde, unabhängig davon, ob die Gefahr von staatlichen, ausländischen oder privaten Akteuren ausgeht;

30.  weist darauf hin, dass die Ausübung der Grundfreiheiten, einschließlich des Rechts, in der Öffentlichkeit kritisch zu sein, ein Kernelement einer freien und demokratischen Gesellschaft ist; bringt seine Besorgnis über den schrumpfenden zivilgesellschaftlichen Raum in verschiedenen Mitgliedstaaten zum Ausdruck, der in der Anwendung von SLAPP-Klagen gegen und der Überwachung von Medien und Journalisten, Menschenrechtsverteidigern, Vertretern der Zivilgesellschaft und Aktivisten und politischen Gegnern zum Ausdruck kommt; begrüßt die Zusage der Kommission, eine Richtlinie gegen missbräuchliche Klagen gegen Journalisten und Verteidiger von Rechten vorzuschlagen, und betont, dass der Anwendungsbereich umfassend genug sein muss, damit er alle Verteidiger von Rechten, einschließlich einzelner Aktivisten, umfasst;

31.  betont, dass die unberechtigte Benutzung von Pegasus und gleichwertiger Spähsoftware durch die Mitgliedstaaten gegen Journalisten, Rechtsanwälte, Oppositionspolitiker und andere Personen eine direkte Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte darstellt; fordert die Kommission auf, den Missbrauch von Überwachungsinstrumenten und seine Auswirkungen auf die demokratischen Abläufe in der Union sowie möglicher einschlägiger Verletzungen der in Artikel 2 EUV verankerten Werte und der Charta der Grundrechte zu bewerten;

32.  glaubt, dass die Situation des zivilgesellschaftlichen Raums in den Mitgliedstaaten ein separates Kapitel im Bericht und die Schaffung eines „europäischen Index des zivilgesellschaftliches Raums“ verdient, da die Zivilgesellschaft eine zentrale Rolle bei der Erhaltung einer umfänglich demokratischen und inklusiven Gesellschaft auf der Grundlage der Einhaltung der Menschenrechte spielt und die Zivilgesellschaft in verschiedenen Mitgliedstaaten vor Herausforderungen wie gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen, einem beschränkten Zugang zu Mitteln und Verleumdungskampagnen steht;

33.  empfiehlt der Kommission, die vierte Säule des Jahresberichts über die „anderen institutionellen Fragen im Zusammenhang mit dem System von Kontrolle und Gegenkontrolle“ zu einer Säule über die Demokratie und das Gewaltenteilungsprinzip zu entwickeln und Elemente zu bewerten wie mögliche Bedrohungen für die demokratischen Prozesse in der Union und den Mitgliedstaaten, einschließlich Wahlfälschungen;

Auswirkungen der COVID-19-Maßnahmen auf die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte

34.  verweist auf die starken Auswirkungen der Maßnahmen in Bezug auf die COVID-19-Pandemie, einschließlich der Notfallregelungen und Gesetzesdekrete zur Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und den Grundrechten in der Union, insbesondere in den Bereichen Justiz, Medienfreiheit und Korruptionsbekämpfung;

35.  bedauert das Wesen und den übermäßigen Gebrauch von Notfallmaßnahmen während der COVID-19-Pandemie, gepaart mit der Ex-post-Kontrolle solcher Maßnahmen durch einige nationalen Parlamente, und sogar die Schließung der Parlamente in zahlreichen Mitgliedstaaten, was die Macht der Regierungen gestärkt und zu einem Mangel an Rechenschaftspflicht und Transparenz der Exekutive geführt hat;

36.  weist darauf hin, dass die COVID-19-Pandemie negative Auswirkungen sowohl auf den Zugang zur Justiz als auch auf die Effizienz der nationalen Gerichte hatte, einschließlich der teilweisen Schließung nationaler Gerichte; hebt hervor, dass die durch die Pandemie bedingte außergewöhnliche Situation die dringende Notwendigkeit aufgezeigt hat, Gerichtsverfahren zu modernisieren und digitale Elemente einzuführen, um die Effizienz der Justizsysteme zu steigern und den Zugang zu Rechtsberatung und -information zu erleichtern;

37.  begrüßt die Tatsache, dass der Bericht einen Abschnitt über die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Rechtsstaatlichkeit enthält; betont, dass die Überwachung der Anwendung und Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen fortgesetzt werden sollte, bis ausnahmslos alle Maßnahmen aufgehoben werden; weist in diesem Zusammenhang auf das Risiko des Missbrauchs von Mitteln aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der EU hin; weist erneut darauf hin, dass diese Mittel erst verteilt werden können, wenn diesen Bedenken umfassend Rechnung getragen wurde; fordert die Kommission nachdrücklich auf, zu gegebener Zeit zu bewerten, ob die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen tatsächlich befristet, notwendig und verhältnismäßig waren, und gleichzeitig das System von Kontrolle und Gegenkontrolle einhielten; ersucht die Kommission, Empfehlungen zu formulieren, um den Mitgliedstaaten bei der Entschärfung der Pandemieauswirkungen in den Bereichen Justiz, Korruptionsbekämpfung und Medienfreiheit zu helfen;

Grundrechte und Gleichstellung

38.  betont seine Besorgnis darüber, dass Frauen und Menschen in schutzbedürftigen Situationen, darunter Menschen mit Behinderungen, Kinder, religiöse Minderheiten – insbesondere in Zeiten des zunehmenden Antisemitismus und Antiziganismus und der zunehmenden Islamfeindlichkeit in Europa –, Roma, Menschen afrikanischer und asiatischer Abstammung und andere Personen, die ethnischen und sprachlichen Minderheiten angehören, Migranten, Asylbewerber, Flüchtlinge, LGBTIQ-Personen und ältere Menschen, insbesondere Menschen, die in ausgegrenzten Siedlungen leben, nach wie vor erleben, dass ihre Rechte in der gesamten Union nicht in vollem Umfang geachtet werden und weiterhin diskriminierenden Praktiken ausgesetzt sind; unterstreicht die offensichtliche Verbindung zwischen sich verschlechternden Standards der Rechtsstaatlichkeit und Verstößen gegen die Grundrechte und Minderheitsrechte wie der Anwendung übermäßiger Gewalt durch die Strafverfolgungsbehörden bei Protesten und an den Außengrenzen der Union; weist darauf hin, dass einige Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen vorsätzlich auf Maßnahmen zurückgreifen, die aus Sicht der Rechtsstaatlichkeit bedenklich sind, etwa auf Rechtsvorschriften, die in beschleunigten Verfahren ohne Beteiligung der Öffentlichkeit angenommen wurden, oder in Ausnahmefällen sogar auf Verfassungsänderungen, um diskriminierende Maßnahmen zu legitimieren, die ansonsten nicht gesetzlich geregelt werden könnten, etwa Bestimmungen, mit denen eigens auf LGBTIQ-Personen abgezielt wird, oder die Verhängung eines nahezu vollständigen Verbots der Abtreibung; weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten gegenüber Personen, die in schutzbedürftige Situationen gebracht wurden, Verantwortung tragen und ihnen Sicherheit und Schutz vor Diskriminierung bieten sollten; bekräftigt nachdrücklich seine Forderung an die Kommission, eine eingehende Bewertung der anhaltenden Verletzungen der Grundrechte in der gesamten Union, einschließlich der Gleichstellung und der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören, in künftige Berichte aufzunehmen; fordert die Organe der Union auf, in der Zwischenzeit die Jahresberichte über die Rechtsstaatlichkeit angesichts der Berichte über die Grundrechte, die von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte veröffentlicht wurden, zu lesen;

39.  erklärt sich besorgt, dass einige Mitgliedstaaten den Rahmenbeschluss zum Rassismus und zur Fremdenfeindlichkeit(31) nicht vollständig und korrekt in nationales Recht umgesetzt haben und dass die Bestimmungen der Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse(32) nach wie vor nicht in allen Mitgliedstaaten vollständig umgesetzt sind; empfiehlt, den politischen Diskursen und Mediendiskursen, die Hass gegen Minderheiten schüren, und den direkten Auswirkungen, die sie auf die Verabschiedung diskriminierender Gesetze oder Praktiken haben, durch die die Rechtsstaatlichkeit für alle untergraben wird, einschließlich im Bereich der Terrorismusbekämpfung und der Sicherheitspolitik, im Lichte der George Floyd-Entschließung(33), die vom Parlament im Jahr 2020 angenommen wurde, mehr Aufmerksamkeit zu schenken;

40.  ist besonders besorgt angesichts der Verschlechterung der Situation der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der Rechte der Frauen in einigen Mitgliedstaaten, darunter der Erlass sehr restriktiver Gesetze zur Abtreibung sowie die fortgesetzten und systematischen Angriffe auf die Grundrechte von LGBTIQ-Personen, verstärkt durch die Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit in verschiedenen Mitgliedstaaten; bedauert, dass diese Entwicklungen im Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit nicht konsequent widergegeben werden; fordert die Kommission auf, diese Probleme in allen einschlägigen Länderberichten und im Synthesebericht systematisch zu behandeln;

41.  begrüßt die von der Kommission als Teil der Vertragsverletzungsverfahren vom Juli 2021 gegen Ungarn und Polen eingeleiteten Verfahren in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte von LGBTIQ-Personen und Verstöße gegen das EU-Recht; nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission damit erstmals Vertragsverletzungsverfahren speziell zur Wahrung der Rechte von LGBTIQ-Personen eingeleitet hat;

42.  nimmt mit Besorgnis die zahlreichen Berichte über erhebliche und systematische Verletzungen der Grundrechte von Migranten und Asylbewerbern in der Union und insbesondere an ihren Außengrenzen zur Kenntnis; bedauert die Tatsache, dass mehrere Mitgliedstaaten nationale Rechtsvorschriften erlassen haben, durch die die Rechte von Asylbewerbern stark eingeschränkt werden und die in einigen Fällen sogar den Grundsatz der Nichtzurückweisung und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf gefährden; bedauert, dass die Kommission trotz der Forderungen des Parlaments ihre Bewertung der Vereinbarkeit zahlreicher nationaler Gesetzgebungsmaßnahmen im Bereich Asyl und Migration mit dem Unionsrecht nicht abgeschlossen hat; bekräftigt, dass die Achtung der Grundrechte wie des Rechts auf Asyl und auf einen wirksamen Rechtsbehelf wesentlich für das ordnungsgemäße Funktionieren der Rechtsstaatlichkeit ist;

Herkunft

43.  fordert die Kommission auf, den regelmäßigen, alle Seiten einbeziehenden und strukturierten Dialog mit Regierungen und nationalen Parlamenten, nichtstaatlichen Organisationen, nationalen Menschenrechtsinstitutionen, Bürgerbeauftragten und Gleichstellungsgremien, Berufsverbänden und anderen Interessenträgern weiter zu stärken und transparenter in Bezug auf die Kriterien zu sein, die bei der Auswahl von Informationen von jenen Interessenträgern beim Entwurf ihrer Jahresberichte verwendet werden; vertritt die Auffassung, dass zivilgesellschaftliche Organisationen in allen Phasen des Überprüfungszyklus durch einen transparenten Prozess auf der Grundlage klarer Kriterien eng einbezogen werden sollten; hebt hervor, dass durch thematisch strukturierte Konsultationen die Effizienz des Verfahrens gesteigert und der Umfang der wertvollen Rückmeldungen erweitert würde; begrüßt es, dass Interessenträger auf dem Konsultationsfragebogen jetzt Aspekte melden können, die über den von der Kommission vorgesehenen Umfang hinausgehen, und fordert die Kommission auf, die Struktur der nationalen Berichte erforderlichenfalls anzupassen; fordert die Kommission auf, Online-Instrumente für die Beiträge von Interessenträgern zu überprüfen und zu verbessern und hinsichtlich der geltenden Längenbeschränkungen flexibel zu sein;

44.  vertritt die Auffassung, dass die Fristen für die Konsultation der Zivilgesellschaft in der Vergangenheit zu kurz oder zeitlich schlecht abgestimmt waren, entsprechend angepasst werden und flexibel sein sollten, damit ein vollständiger und umfassender Beitrag geleistet werden kann; weist darauf hin, dass es Interessenträgern dadurch erschwert wird, ihre Beiträge und Sensibilisierungsmaßnahmen vorzubereiten und zu planen, wobei ihre Kapazitätsgrenzen und Finanzmittel zu berücksichtigen sind, vor allem wenn die Konsultationen in die Zeit des Jahresurlaubs fallen; fordert die Kommission auf, die Möglichkeit einer ganzjährigen Konsultation der Zivilgesellschaft einzuführen, anstatt sich hauptsächlich auf zeitlich begrenzte Aufforderungen zur Einreichung von Beiträgen zu konzentrieren; begrüßt die Tatsache, dass die Kommission mehrsprachige Eingaben in allen Amtssprachen der Union zulässt; fordert die Kommission auf, im Voraus ihren Zeitplan für den anstehenden Bericht festzulegen und zu veröffentlichen, in dem Termine für die verschiedenen Schritte des Prozesses festgelegt werden, einschließlich eines Zeitplans für Länderbesuche und des Datums für die Veröffentlichung des Berichts; stellt fest, dass die Konsultation weiter untermauert werden kann, und bestärkt die Kommission darin, die Beiträge der Akteure der Zivilgesellschaft weiterzuverfolgen;

45.  bestärkt die Kommission darin, im Rahmen der Erstellung des Jahresberichts angemessene Folgemaßnahmen zu Petitionen und weitere Äußerungen einzelner Bürger über Bedenken und Aussagen über rechtsstaatliche Mängel sicherzustellen; ist der Ansicht, dass mit Blick auf die Stärkung der rechtsstaatlichen Kultur und der Kommunikation der EU-Organe mit den Bürgern partizipative Foren und Strukturen aufgebaut werden sollten, um Trends zu identifizieren und mögliche Bedrohungen, Mängel und Verstöße in Bezug auf die in Artikel 2 EUV verankerten Werte in der gesamten Union besser zu erkennen;

46.  weist darauf hin, dass die Kommission relevante Informationen aus einschlägigen Quellen und von anerkannten Institutionen weiterhin systematisch berücksichtigen sollte; weist darauf hin, dass die Feststellungen einschlägiger internationaler Gremien, wie der Gremien unter der Leitung der Vereinten Nationen, der OSZE und des Europarats, berücksichtigt werden sollten; fordert die Kommission auf, die Daten und Erkenntnisse aus einschlägigen Indizes wie dem Projekt „Worldwide Governance Indicators“ (WGI), dem „World Justice Project Rule of Law Index“ und dem Projekt „Varieties of Democracy“ (V-DEM) besser zu berücksichtigen;

47.  begrüßt die Einigung des Rates über die Änderung des Mandats der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) als einen Schritt nach vorne; fordert die Kommission auf, diese Dynamik zu nutzen und die FRA zu ersuchen, methodische Beratung zu leisten und vergleichende Untersuchungen durchzuführen, um Details zu wichtigen Abschnitten des Jahresberichts zu ergänzen, da das Recht auf ein faires Verfahren, das Recht auf freie Meinungsäußerung und andere Grundrechte untrennbar mit der Rechtsstaatlichkeit verbunden sind, neben den Beiträgen, welche die Agentur bereits leistet, beispielsweise über EFRIS und ihre Berichte über den zivilgesellschaftlichen Raum;

48.  ist der Ansicht, dass die Zusammenarbeit mit dem Europarat und anderen internationalen Organisationen für die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten in der EU besonders wichtig ist; fordert die Kommission auf, Daten zur Missachtung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und die Stellungnahmen der Vertragsorgane der Vereinten Nationen zu einzelnen Mitteilungen systematisch auszuwerten;

Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsmechanismus

49.  bedauert, dass die Kommission und der Rat der vom Parlament in seiner Entschließung vom 7. Oktober 2020 erhobene Forderung nach einem gemeinsamen EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, der die gesamte Bandbreite der Werte nach Artikel 2 EUV abdecken sollte, nur zögernd nachkommen; fordert die Kommission und den Rat erneut auf, umgehend Verhandlungen mit dem Parlament über eine interinstitutionelle Vereinbarung aufzunehmen;

50.  weist auf seinen Standpunkt zur Einbeziehung eines Gremiums unabhängiger Sachverständiger hin, das die drei Organe in enger Zusammenarbeit mit der Agentur für Grundrechte beraten soll; fordert sein Präsidium angesichts der Zurückhaltung der Kommission und des Rates auf, ein Ausschreibungsverfahren zu organisieren, um ein solches Gremium unter der Leitung des Parlaments im Einklang mit der in seiner Entschließung vom 24. Juni 2021 zum Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2020 eingegangenen Verpflichtung einzurichten und so das Parlament in Bezug auf die Einhaltung der Werte nach Artikel 2 EUV in verschiedenen Mitgliedstaaten zu beraten und anhand von Beispielen zu zeigen, wie ein solches Gremium in der Praxis funktionieren könnte;

51.  bekräftigt seine Aufforderung an die Kommission, eine umfassendere und ehrgeizigere Überarbeitung der FRA-Verordnung(34) in Erwägung zu ziehen; fordert die Kommission daher auf, langfristig das volle Potenzial der Entwicklung der FRA im Einklang mit den Grundsätzen betreffend die Stellung und Arbeitsweise nationaler Institutionen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte (den Pariser Grundsätzen) zu prüfen, damit sie zu einem völlig unabhängigen Gremium wird, das unparteiische und öffentlich zugängliche Stellungnahmen zu länderspezifischen Situationen im Bereich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte bereitstellt; betont, dass eine solche Entwicklung mit einer Aufstockung der verfügbaren Ressourcen einhergehen sollte;

Komplementarität mit anderen Instrumenten im Bereich Rechtsstaatlichkeit

52.  bekräftigt, dass der Jahresbericht als wichtige Quelle und als Referenzdokument für die Entscheidung geeignet sein muss, um zu entscheiden, ob eines oder mehrere einschlägige Instrumente in Anspruch genommen werden sollen, etwa Artikel 7 EUV, die Konditionalitätsverordnung, andere Instrumente, die im Rahmen des EU-Finanzrechts und der geltenden sektorspezifischen und finanziellen Vorschriften zur Verfügung stehen, um den EU-Haushalt wirksam zu schützen, der Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips oder Vertragsverletzungsverfahren, einschließlich beschleunigter Verfahren, Anträge auf einstweilige Maßnahmen vor dem EuGH und Klagen wegen unterbliebener Umsetzung von Urteilen des EuGH; fordert die Kommission auf, diese Instrumente ausdrücklich mit in dem Bericht ermittelten oder potenziellen Problemen im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit zu verknüpfen; fordert die Organe auf, diese Instrumente, darunter den Mechanismus der Rechtsstaatlichkeit-Konditionalität, unverzüglich in Anspruch zu nehmen, um die Rechtsstaatlichkeit proaktiv zu unterstützen und demokratische Rückschritte in der Union anzugehen, zumal der Jahresbericht 2021 der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit mehrere und detaillierte Beispiele von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit enthält, die unter die Konditionalitätsverordnung fallen; fordert die Kommission erneut auf, eine direkte Verbindung zwischen den jährlichen Berichten über die Rechtsstaatlichkeit, gemeinsam mit andere Quellen zur Rechtsstaatlichkeit, und den an die Rechtsstaatlichkeit geknüpften Konditionalitätsmechanismus herzustellen;

53.  weist darauf hin, dass Vertragsverletzungsverfahren das zentrale Instrument für den Schutz und die Verteidigung des Unionsrechts und der in Artikel 2 EUV verankerten gemeinsamen Werte sind; stellt mit Besorgnis fest, dass die Zahl der Vertragsverletzungsverfahren, die von der Kommission eingeleitet wurden, seit 2004 zurückgegangen ist; ist überrascht darüber, dass Vertragsverletzungsverfahren nicht systematisch eingeleitet werden, zumindest sobald die betreffende Vertragsverletzung im Jahresbericht dokumentiert wird; bedauert, dass die Kommission nicht bereit ist, die Umsetzung des EU-Rechts aktiv und systematisch zu überwachen und die Möglichkeiten von Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten auszuschöpfen, da es sich dabei um das Instrument handelt, das am besten geeignet ist, um die Probleme effizient und umgehend zu lösen; stellt fest, dass die Mitgliedstaaten aus diesem Grund aufgefordert wurden, gemäß Artikel 259 AEUV Staatenbeschwerden einzureichen; ist besorgt, dass die präventive Wirkung von Vertragsverletzungsverfahren abnimmt, wenn sie nicht systematisch und rechtzeitig angewandt werden; fordert, dass für jeden Mitgliedstaat eine Übersicht zu allen von der Kommission ergriffenen Durchsetzungsmaßnahmen, einschließlich anhängiger Vertragsverletzungsverfahren, sowie zum Stand der Befolgung der einstweiligen Maßnahmen und der Entscheidungen des EuGH und EGMR aufgenommen wird, und dass die darin enthaltenen Angaben in eine umfassende Anwendung des EU-Justizbarometers einfließen;

54.  verweist auf die Bedeutung der einstweiligen Entscheidungen zur Rechtsstaatlichkeit; ist der Ansicht, dass die einschlägige Rechtsprechung des EuGH dazu beigetragen hat, die Rechtsstaatlichkeit weiter zu definieren und der Kommission dienen könnte, ihre Maßstäbe zur Beurteilung der rechtsstaatlichen Situation in den Mitgliedstaaten weiter zu verfeinern;

55.  ist besorgt über das anhaltende Versäumnis einiger Mitgliedstaaten, darunter Ungarn und Polen, nationale, EuGH- und EGMR-Urteile umzusetzen, was zur Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit beiträgt; betont, dass die unterbliebene Umsetzung von Urteilen dazu führen kann, dass bei Verstößen gegen die Menschenrechte keine Abhilfe erfolgt; unterstreicht, dass dies in der Öffentlichkeit so wahrgenommen werden könnte, dass Urteile missachtet werden können, und so die Unabhängigkeit der Justiz und das allgemeine Vertrauen in die Kraft der gerechten Rechtsprechung untergraben werden; fordert die Kommission auf, über die jeweiligen Länderkapitel über die Umsetzung von Urteilen durch die Mitgliedstaaten in Fällen teilweiser oder unzureichender Umsetzung weiterhin Bericht zu erstatten; fordert die Kommission auf, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, um geeignete Lösungen für die vollständige Umsetzung zu finden und die Informationen jährlich zu aktualisieren; weist darauf hin, dass das Versäumnis, das Urteil Coman & Hamilton(35) umzusetzen, zur Folge hatte, dass sich die Beschwerdeführer an den EGMR wenden mussten;

56.  weist darauf hin, dass der Konditionalitätsverordnung große Bedeutung zukommt, wenn Verstöße gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit die wirtschaftliche Haushaltsführung des Unionshaushalts oder den Schutz der finanziellen Interessen der Union beeinträchtigen oder ernsthaft zu beeinträchtigen drohen; begrüßt die Urteile des EuGH vom 16. Februar 2022 und die darin enthaltenen Ergebnisse, dass die Union sehr wohl über Zuständigkeiten in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten verfügt, dass die an die Rechtsstaatlichkeit geknüpfte Konditionalitätsverordnung mit dem Unionsrecht im Einklang steht und die Abweisung der von Ungarn und Polen gegen die Konditionalitätsverordnung erhobenen Klagen; wiederholt seine Aufforderung an die Kommission, sofortige Maßnahmen gemäß der Verordnung zu ergreifen, einem Instrument, das seit Januar 2021 in Kraft ist;

57.  ist der Auffassung, dass der Jahresbericht am besten dafür geeignet ist, einen eigenen Abschnitt über die Durchführung einer entsprechenden Analyse gemäß der Verordnung der Rechtsstaatlichkeit-Konditionalität zu veröffentlichen; nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission am 27. April 2022 mit der Übermittlung einer schriftlichen Mitteilung endlich das förmliche Verfahren gegen Ungarn im Rahmen der Konditionalitätsverordnung eingeleitet hat; fordert die Kommission nachdrücklich auf, zumindest auch im Fall Polens das in Artikel 6 Absatz 1 der genannten Verordnung verankerte Verfahren einzuleiten; weist darauf hin, dass die Anwendbarkeit, der Zweck und der Anwendungsbereich der Verordnung klar definiert sind und nicht durch weitere Erläuterungen ergänzt werden müssen; verurteilt die Entscheidung der Kommission, auch nach dem Urteil des EuGH zur Bestätigung der Rechtmäßigkeit und Gültigkeit der Verordnung weiterhin Leitlinien auszuarbeiten; fordert die Kommission auf, möglicherweise über einen Vorschlag für einen Gesetzgebungsakt sicherzustellen, dass sich die Anwendung von Artikel 6 der Verordnung der Rechtsstaatlichkeit-Konditionalität weder unmittelbar noch mittelbar auf die Bürger auswirkt, da die Verantwortlichen für solche Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit Regierungsvertreter oder Staatschefs sind und die Mittel, die im konsolidierten Haushaltsplan der Union verbleiben, direkt von lokalen öffentlichen Einrichtungen in Anspruch genommen werden können; fordert die Kommission auf, die Dachverordnung und die Verordnung über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union stringenter anzuwenden, um der diskriminierenden Verwendung von EU-Mitteln zu begegnen, insbesondere jeder Art von politisch motivierter Verwendung, und das volle Potenzial jener Instrumente und der Verordnung der Rechtsstaatlichkeit-Konditionalität auszuschöpfen, um die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte zu schützen und dadurch sicherzustellen, dass die Mittel der Union nicht für Initiativen verwendet werden, die nicht im Einklang mit den in Artikel 2 EUV verankerten Werten stehen, und gleichzeitig die Interessen der Endbegünstigten zu wahren, die nicht staatliche Stellen sind;

58.  ist besorgt über die Erkenntnisse des Berichts der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2021, wonach die staatlich geförderte Drangsalierung und Einschüchterung von LGBTIQ-Organisationen in einigen Ländern deren Fähigkeit, Zugang zu Finanzmitteln zu erhalten, beeinträchtigt; fordert die Kommission auf, diesen Sachverhalt genauer zu prüfen und mit den erforderlichen Mitteln dafür zu sorgen, dass der Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der den Zugang zu Mitteln der Union regelt, überall in der Union uneingeschränkt eingehalten wird; ist der Auffassung, dass diese Feststellungen den seit langer Zeit vertretenen Standpunkt des Parlaments bekräftigen, dass der Geltungsbereich des Berichts über Rechtsstaatlichkeit auf alle Werte aus Artikel 2 EUV ausgeweitet werden sollte;

59.  bedauert zutiefst, dass der Rat nicht in der Lage ist, in den laufenden Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 EUV nennenswerte Fortschritte zu erzielen; fordert den Rat nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass Anhörungen mindestens einmal pro Vorsitz während der laufenden Verfahren nach Artikel 7 stattfinden und sich auch mit neuen Entwicklungen befassen, die sich auf die Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechte auswirken; betont, dass keine Einstimmigkeit im Rat erforderlich ist, um eine eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Unionswerte gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV zu ermitteln, konkrete Empfehlungen an die betroffenen Mitgliedstaaten zu richten und Fristen für die Umsetzung dieser Empfehlungen zu setzen; bekräftigt seine Aufforderung an den Rat, dies zu tun, und betont, dass jede weitere Verzögerung einer solchen Maßnahme einer Verletzung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit durch den Rat selbst gleichkäme; besteht darauf, dass die Aufgaben und Zuständigkeiten des Parlaments geachtet werden;

60.  nimmt die länderspezifischen Diskussionen zur Kenntnis, die im Rat (Allgemeine Angelegenheiten) auf der Grundlage des Jahresberichts über die Rechtsstaatlichkeit der Kommission im Rahmen des jährlichen Dialogs über Rechtsstaatlichkeit des Rates stattgefunden haben; schlägt vor, bei diesen Diskussionen zuerst auf die Mitgliedstaaten mit den größten Problemen in Sachen Rechtsstaatlichkeit einzugehen und dabei die Vorgehensweise der alphabetischen Reihenfolge beizubehalten; betont, dass sich mehr Transparenz positiv auf den Dialog über Rechtsstaatlichkeit in der Union auswirken würde, und fordert den Rat daher auf, diese länderspezifischen Diskussionen, einschließlich detaillierter öffentlicher Schlussfolgerungen, zu veröffentlichen;

61.  verurteilt aufs Schärfste die Behörden der Mitgliedstaaten, die eine Beteiligung am jährlichen Dialog über Rechtsstaatlichkeit der Kommission verweigern; ist der Ansicht, dass eine solche Weigerung für die Kommission als Grund ausreichen müsste, um sich verstärkt und noch aufmerksamer der Untersuchung der rechtsstaatlichen Lage in diesen Ländern zu widmen; ist der festen Überzeugung, dass der Zyklus der Rechtsstaatlichkeit nur dann wirksam sein kann, wenn der in Artikel 4 Absatz 3 EUV verankerte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit von den Organen der Union und den Mitgliedstaaten gleichermaßen geachtet und angewandt wird;

62.  fordert die Kommission nachdrücklich auf, sich aktiv an öffentlichen Debatten auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zu beteiligen und mehr in die Sensibilisierung für die in Artikel 2 EUV verankerten Werte der Union und die anwendbaren Instrumente, einschließlich des Jahresberichts, zu investieren, insbesondere in den Ländern, in denen ernsthafte Bedenken bestehen; betont die Bedeutung der strategischen Kommunikation zur Bekämpfung von demokratiefeindlichen Narrativen, und die Bekämpfung dieser Narrative durch eine bessere Erklärung der Unionsmaßnahmen; fordert die Kommission daher auf, Kommunikationskampagnen zur Bedeutung der Achtung der Rechtsstaatlichkeit durchzuführen; fordert die Kommission auf, ein spezielles Programm zur Unterstützung innovativer Maßnahmen einzuführen, deren Ziel es ist, mit Blick auf Rechtsstaatlichkeit und demokratische Institutionen die formale Bildung, insbesondere unter den Juristen, ebenso wie die informelle Bildung der EU-Bürger aller Altersgruppen zu fördern;

63.  verpflichtet sich, regelmäßige Konsultationen mit den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten über die Ergebnisse des jährlichen Berichts aufzunehmen; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass ihre Vertreter auf höchster Ebene am Austausch mit dem Parlament über Rechtsstaatlichkeit teilnehmen; bedauert zutiefst die Weigerung des polnischen Sejm, die ausschussübergreifende Mission des Europäischen Parlaments im Februar 2022 zu treffen, und das Ausbleiben einer Reaktion auf die offizielle Einladung, was unmittelbar gegen Artikel 9 des Protokolls Nr. 1 zu den EU-Verträgen über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union verstößt;

64.  betont, dass interne Mängel bei der Rechtsstaatlichkeit negative Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Außenpolitik der Union haben können, insbesondere in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft und ihren Bewerberländern und möglichen Bewerberländern;

65.  betont, dass Kontrollen und Gegenkontrollen auf Unionsebene ebenso unabhängig bewertet werden sollten; sagt daher zu, eine Studie der Venedig-Kommission zu den wichtigsten demokratischen Grundsätzen im Governance-System der Union einzuholen, und zwar insbesondere zur Gewaltenteilung und Rechenschaftspflicht sowie zu Kontrollen und Gegenkontrollen;

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66.  beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, dem Europarat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1) Urteil vom 16. Februar 2022, Ungarn/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, C-156/21, ECLI:EU:C:2022:97.
(2) Urteil vom 16. Februar 2022, Polen/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, C-157/21, ECLI:EU:C:2022:98.
(3) ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1.
(4) ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 69.
(5) ABl. L 433 I vom 22.12.2020, S. 1.
(6) ABl. L 156 vom 5.5.2021, S. 1.
(7) ABl. C 215 vom 19.6.2018, S. 162.
(8) ABl. C 129 vom 5.4.2019, S. 13.
(9) ABl. C 390 vom 18.11.2019, S. 117.
(10) ABl. C 433 vom 23.12.2019, S. 66.
(11) ABl. C 363 vom 28.10.2020, S. 45.
(12) ABl. C 270 vom 7.7.2021, S. 91.
(13) ABl. C 395 vom 29.9.2021, S. 63.
(14) ABl. C 395 vom 29.9.2021, S. 2.
(15) ABl. C 415 vom 13.10.2021, S. 36.
(16) ABl. C 425 vom 20.10.2021, S. 107.
(17) ABl. C 81 vom 18.2.2022, S. 27.
(18) ABl. C 99 vom 1.3.2022, S. 146.
(19) ABl. C 99 vom 1.3.2022, S. 218.
(20) ABl. C 99 vom 1.3.2022, S. 218.
(21) ABl. C 117 vom 11.3.2022, S. 151.
(22) Angenommene Texte, P9_TA(2021)0428.
(23) Angenommene Texte, P9_TA(2021)0439.
(24) Angenommene Texte, P9_TA(2021)0451.
(25) Angenommene Texte, P9_TA(2021)0455.
(26) Angenommene Texte, P9_TA(2021)0502.
(27) Angenommene Texte, P9_TA(2021)0512.
(28) Angenommene Texte, P9_TA(2022)0064.
(29) Textentwurf der Empfehlung des Ministerkomitees zur Bekämpfung von Hetze, abrufbar unter https://rm.coe.int/draft-recommendation-on-combating-hate-speech-public-consultation-v-18/native/1680a2ef25; Neuigkeiten angekündigt unter https://www.coe.int/en/web/committee-antidiscrimination-diversity-inclusion/-/the-cdadi-finalised-important-deliverables-at-its-fourth-plenary-meeting.
(30) Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17).
(31) Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 55).
(32) Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22).
(33) Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Juni 2020 zu den Protestkundgebungen gegen Rassismus nach dem Tod von George Floyd (ABl. C 362 vom 8.9.2021, S. 63).
(34) Zwischenbericht vom 25. März 2021 über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 168/2007 des Rates zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (COM(2020)0225).
(35) Urteil vom 5. Juni 2018, Relu Adrian Coman u. a./ Inspectoratul General pentru Imigrări und Ministerul Afacerilor Interne, Rechtssache C‑673/16, ECLI:EU:C:2018:385.

Letzte Aktualisierung: 21. August 2023Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen